Lymphsystem

Zur Geschichte Von Hippokrates bis heute

Die Lymphflüssigkeit oder das "weiße Blut" war den Gelehrten schon ca. 500-600 Jahre vor Christi bekannt. Sie hatten allerdings keine Erklärung für die Herkunft und die Funktion der Lymphflüssigkeit. Hippokrates (460-370 v.Chr.) und 100 Jahre später auch Aristoteles (384-322 v.Chr.) berichteten von der farblosen Flüssigkeit und des dazugehörenden Transportsystems, die sie sowohl beim Menschen als auch beim Tier entdeckt hatten.

Die alexandrische Schule fand als erstes einen Namen für das Lymphgefäß-System. "Milchgänge" (ductus lactei, lat.: ductus= Gang, lactis= Milch). Der berühmte Arzt Philon beschrieb "von den Därmen ausgehende Gefäße, die in drüsenartige Körper mündeten". Er hatte mit großer Wahrscheinlichkeit die Lymphknoten entdeckt . Ob er diese allerdings mit der Immunabwehr in Verbindung brachte, wie es behauptet wird, ist nicht nachgewiesen.

Während der nächsten 2000 Jahre geriet dieses Wissen weitgehend in Vergessenheit. Die christliche Kirche hielt die Erforschung der menschlichen Anatomie für sündhaft, so dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich ausblieben und bestehendes Wissen sogar verloren ging.

Erst der italienische Arzt Gaspare Aselli (1581-1626) entdeckte am 23.Juli 1622 das Lymphgefäßsystem wieder neu. Mehr durch Zufall bemerkte er bei der Operation eines Hundes zwei weiße Stränge im Bauch-Brust-Bereich des Tieres, die er zunächst für Nerven hielt. Als er jedoch im Verlauf der Operation die vermeintlichen Nerven anschnitt, trat sofort eine weiße milchige Flüssigkeit aus.

Als Gaspare Aselli diese Operation, ein paar Tage später, allerdings bei einem anderen Hund wiederholte, waren die entdeckten Stränge nicht sichtbar . Es stellte sich heraus, dass das erste Tier vor der OP gefressen hatte und das zweite Tier nüchtern war. Aselli überprüfte in weiteren Operationen dies nach und seine Ergebnisse bestätigten ihn in der Annahme , dass die von ihm als Milchvenen benannten Gefäße in Zusammenhang mit dem Verdauungsvorgang stehen.

Der Däne Thomas Barthin war der Erste, der in einer Abhandlung vom 1.Mai 1652 die Gefäße mit "vasa lymphatica" (lat.: Lymphgefäße) benannte und der Flüssigkeit den Namen "Lympha" (klares Wasser ) gab. Bereits 1655 beschrieb er das gesamte Lymphsystem im Zusammenhang. Seine Erkenntnisse sind bis heute gültig.

In den folgenden Jahren gab es verschiedene Versuche, die Lymphgefäße sichtbar zu machen. So entwickelte der Anatom Anton Nuck (1650-1692) eine Methode, bei der Quecksilber in die Lymphgefäße gespritzt wurde. Andere Wissenschaftler wie z.B. der Franzose Marie Philibert Constant Sappey (1810-1896) verfeinerten dieses Verfahren. Ihm gelang es, etwa 200 Jahre nach der Wiederentdeckung , detaillierte Kupferstiche des menschlichen Lymphgefäßsystems anzufertigen.

Sein "Atlas der Lymphzirkulation" wurde 1885 veröffentlicht. Henri Rouviere (1876-1952) führte Sappey's Arbeit fort, seine "Anatomie der Lymphgefäße des Menschen" erschien 1932 und wird heute noch vielfach verwendet.

Das Lymphsystem

Blut ist nicht die einzige Flüssigkeit ,die durch den Körper fließt. Auch die Lymphe durchströmt in einem eigenen, weit verzweigten Gefäßsystem fast alle Gewebe des Körpers, mit Ausnahme von zentralem Nervensystem, Knochen und Knorpel. Sie erfüllt dabei wichtige Aufgaben, z.B.: die Ausleitung von Schadstoffen und Schlacken oder den Rücktransport von Eiweiß und Gewebeflüssigkeit. Krankheitsbilder wie die Elephantiasis, ( eine unförmige Anschwellung von Körperteilen ), lassen die gewaltige Arbeit erahnen, die das Lymphgefäßsystem als Entwässerungs- und Entgiftungsmechanismus erbringt.

Seine Leistung als körpereigenes Verteidigungssystem erscheint sogar noch größer. Abertausende von Lymphozyten, kleinste weiße Blutkörperchen, marschieren täglich im Körper und übernehmen lebenswichtige Aufgaben der Immunabwehr. Gemeinsam mit Lymphknoten, Milz und Brustdrüse stellen sie ein Organsystem dar, das den Körper vor inneren und äußeren Angriffen schnell und zuverlässig schützt.

Stoffaustausch in den Zellzwischenräumen

Das Wissen um Funktion und Aufbau des Blutkreislaufs gehört heute zur Allgemeinbildung der Bevölkerung. Die Vorstellungen über das Lymphgefäßsystem und seine Bedeutung sind selbst bei vielen Therapeuten immer noch recht verschwommen. Dabei arbeiten beide Gefäßsysteme Hand in Hand.

Der Austausch von Sauerstoff und Nährstoffen aus dem Blut in die Zellen findet im Bereich der kleinsten Blutgefäße und der Zellzwischenräume statt. Auf einer Blutgefäß-Gesamtoberfläche von ca. 600 qm fließen hier täglich bis zu achtzigtausend Liter Flüssigkeit samt Inhaltsstoffen hin und her.

Um gefährliche Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe zu vermeiden, müssen die Eiweißmoleküle in den Blutstrom zurückgeführt werden. Hier beginnt die Aufgabe der Lymphgefäße. Mit ihren feinen, weit verzweigten Lymphhaargefäßen, die eine äußerst durchlässige Zellwand haben, nehmen sie alle Substanzen, die über die Blutbahnen nicht entsorgt werden können, aus dem Zellzwischenraum auf. Die Lymphmenge, die pro Tag gebildet wird, beträgt etwa zwei Liter.

Die Zusammensetzung der Lymphe ( klare Flüssigkeit ) variiert je nach Körperregion. Während sie in den Extremitäten als eiweißhaltige klare Flüssigkeit zu finden ist ( lympha = lat. wasserklare Flüssigkeit), stellt sie sich im Dünndarmbereich aufgrund ihres hohen Fettgehaltes milchig-trüb dar.

An den Blutgefäßen wird die klare Flüssigkeit mit Hilfe von rhythmischen Wandbewegungen zu den immer größer werdenden Lymphsammelgefäßen transportiert. Die Kontraktionen (Muskelzusammenziehungen ) werden durch Dehnung der Lymphgefäße stimuliert, so dass die Strömungsgeschwindigkeit und damit das Lymphzeitvolumen bei großen Lymphmengen erheblich (bis zum Zehnfachen) gesteigert werden kann. Zusätzlich wird der Rücktransport der Lymphflüssigkeit durch die sogenannte Muskelpumpe, den Wechsel von An- und Entspannung der Wadenmuskulatur, unterstützt. Ähnlich wie in den Venen verhindern Klappen (alle 2-3 mm eine Klappe) in den Sammelgefäßen den Rückfluss der Lymphe und geben die Strömungsrichtung an.

Kontrollpunkt Lymphknoten

Auf dem Weg von der Außengrenze zum Venenwinkel passiert die Lymphe etwa 600 Lymphknoten. Diese biologischen Filterstationen sind in Ketten oder Gruppen angeordnet und "kontrollieren" jeweils eine bestimmte Körperregion. Sie fangen Krankheitserreger und Fremdkörper aus der sie durchströmenden klaren Flüssigkeit ab und machen sie mit Hilfe von speziellen Immunzellen unschädlich. Darüber hinaus sind Lymphknoten in der Lage, vorübergehend Flüssigkeit, Fette oder Farbstoffe zu speichern. Außerdem ändern sie durch Zugabe oder Wegnahme von Wasser die Zusammensetzung der Lymphflüssigkeit. Ihrer wichtigen Aufgabe als Abwehrzentrum des Körpers entsprechend, befinden sich 35% aller Lymphknoten im Nasen-Rachen-Raum, der größten Eintrittspforte für Keime und Fremdkörper.

Lymphozyten

Die Lymphozyten (kleinste weiße Blutkörperchen) gehören zu den Immunzellen des Körpers, deren zentrale Aufgabe es ist, die Abwehr des Organismus zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Sie durchstreifen mit dem Blut- und Lymphfluss den Körper, um rechtzeitig schädliche Eindringlinge erkennen und bekämpfen zu können. Sie können sich innerhalb kürzester Zeit stark vermehren und so ihren Abwehraufgaben gerecht werden.

Jeder Erwachsene entwickelt im Laufe seines Lebens bis zu einer Milliarde unterschiedlicher Antikörper. Viele Wissenschaftler rechnen heute auch die natürlichen Killerzellen dem lymphatischen System zu. Sie gehören damit zu der angeborenen Abwehr des Körpers. Ihre Aufgabe besteht darin, Zellen, die durch Viren oder Tumoren krankhaft verändert sind, schnell aufzuspüren und zu vernichten oder aufzuhalten.

Ein Immunsystem ohne Lymphsystem wäre nicht möglich.

Produktion der körpereigenen Abwehr

Ohne die Funktion der Thymus (Bries), eines Lymphorgans, das unmittelbar hinter dem Brustbein dem Herzbeutel aufliegt, wäre die Entwicklung eines Menschen nicht möglich. Sie produziert und prägt in den ersten zehn bis fünfzehn Lebensjahren den größten Teil jener Immunzellen, die im weiteren Leben den Menschen vor Infektionen schützen sollen . Bis zur Pubertät ist offenbar der größte Teil dieser Aufgaben beendet. Denn danach bildet sich der Thymus kontinuierlich zurück und ist beim Erwachsenen nur noch als kleiner Fettkörper zu erkennen. Seine Funktion wird dann von Lymphknoten, Milz und Knochenmark übernommen.

Die Milz ist das größte lymphatische Organ. Sie befindet sich im linken Oberbauch unterhalb des Rippenbogens und wiegt etwa 150 g. Ihre Funktion ist z.B. die Kontrolle und Entsorgung alter roter Blutkörperchen ( Erythrozyten ), und sie übernimmt auch im immunologischen Bereich wichtige Aufgaben. Im lymphatischen Milzgewebe, werden Lymphozyten gebildet, die sich zu Gedächtniszellen und zu Eiweißzellen umwandeln können. Obwohl die Milz ein besonders wichtiges Abwehrorgan darstellt, führt ihr Verlust nicht zu lebensbedrohlichen Entgleisungen. Die meisten Aufgaben der Milz können von anderen lymphatischen Organen übernommen werden.

Neben diesen beiden großen Organen verfügt der menschliche Körper über verschiedene lymphatische Gewebekomplexe, die an den Stellen zu finden sind, die als Eintrittspforte für Fremdkörper und Krankheitserreger in Frage kommen. Dazu gehören vor allem Rachen-, Gaumen- und Zungenmandeln, die den lymphatischen Rachenring bilden. Seine Lage am Eingang der Luft- und Speiseröhre ist hervorragend geeignet, Fremdstoffe und Keime abzufangen und sie mit Hilfe der lymphatischen Abwehrzellen zu vernichten, noch ehe sie den Organismus richtig "betreten" haben. Den Gaumenmandeln kommt dabei die größte Bedeutung zu. Man geht davon aus, dass sie wesentlich am Aufbau der Abwehr im Rachenring beteiligt sind. Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die Mandeln bei Kindern heute wesentlich seltener entfernt werden als früher.

Auch der Magen-Darm-Trakt gehört zu den Regionen des Körpers, die engste Berührungspunkte mit der Außenwelt haben. Konsequenterweise gibt es hier besonders viel Lymphgewebe. Es ist im Bereich der Darmwand zu finden und hat die Aufgabe, die mit der Nahrung aufgenommenen Stoffe auf ihren Nutzen bzw. ihre Gefährlichkeit hin zu kontrollieren.

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

Die häufigsten Erkrankungen des Lymphgefäßsystem betreffen seine Funktion als Transportsystem. Man unterscheidet bei einer Störung des Lymphtransports zwischen

1.) mechanischer Schwäche:

Ursachen sind z.B. Vernarbungen und Blockaden bei Krebserkrankungen, angeborene Defekte im Lymphgefäßsystem und

2.)dynamischer Schwäche:

z.B. bei entzündlichen Erkrankungen, wie Rheuma, oder nach Verletzungen Unabhängig der Ursache, ist der Krankheitsprozess, der durch eine eiweißreiche Wasseransammlung ausgelöst wird, immer gleich. Durch die kontinuierliche Eiweißablagerung im Gewebe kommt es zu einer Störung der normalen veränderlichen Vorgänge. Die Folge davon ist eine Ansammlung von äußerst aggressiven, zellschädigenden Stoffen. Wie bei jeder Gewebeschädigung reagiert der Körper darauf mit der Einleitung eines Reparaturprozesses. Ohne therapeutische Maßnahmen ist für den Patienten eine Heilung, wenn überhaupt, schwer möglich.

Lymphknotenschwellungen

Vergrößerte Lymphknoten sind meist harmlose Begleiterscheinungen einer Infektion. In vielen Fällen kommt es zu einer plötzlichen Rückbildung nach wenigen Wochen. Trotzdem muss eine Abfragung und eine gründliche Untersuchung des Patienten erfolgen, um andere, ernste Ursachen ausschließen zu können. Die Diagnosenstellung ist nicht immer einfach, da sich viele Krankheitszeichen überschneiden.

Für die Differentialdiagnose müssen folgende Fragen geklärt werden.

1.) Handelt es sich um eine entzündliche oder eine tumorbedingte Lymphknotenschwellung? Dazu müssen Größe, Schmerzhaftigkeit, Beschaffenheit und Abgrenzbarkeit des betroffenen Lymphknotens überprüft werden.

2.) Seit wann besteht die Schwellung?

3.) Ist nur ein Lymphknoten angeschwollen oder sind mehrere Knoten in der gleichen Region, oder in verschiedenen Körperregionen betroffen?

4.) Kann eine Milz- oder Lebervergrößerung getastet werden?

5.) Liegen Begleitsymptome, wie Fieber, Hautausschlag, Juckreiz, Nachtschweiß, Gelenk- oder Muskelschmerzen vor?

Ursachen für vergrößerte Lymphknoten

Infektionen z. B. durch Viren, Bakterien, Pilze, Würmer, Röteln, Masern, Aids-Infektionen, Katzenkratzkrankheit

bösartige Geschwülste z.B. durch plötzliche und wiederkehrende Leukämien ("Blutkrebs")

Allergien z.B. Medikamentenallergien

andere Ursachen

Lassen Abfragung und körperliche Untersuchung des Patienten keine klare Diagnosestellung zu, sind weitere Untersuchungen zur Abgrenzung zwischen gutartiger und bösartiger Lymphknotenerkrankung notwendig. Dabei kommt dem Differentialblutbild die größte Bedeutung zu. Hiermit können Leukämien ("Blutkrebs") ebenso diagnostiziert werden wie Lymphknotenvergrößerungen, Virusinfektionen oder bakterielle Infekte. Bei anhaltenden Lymphknotenschwellungen sollte auch eine Oberbauch-Ultraschalluntersuchung und eine Brustkorb-Röntgenuntersuchung durchgeführt werden.

Die auslösende Ursache der Lymphknotenschwellung bestimmt die Therapie. Die Bandbreite der angewendeten Therapiemaßnahmen ist sehr groß. Einerseits steht bei bösartigen Lymphknotenvergrößerungen oder schweren Infektionen eine artgemäße Therapie auf dem Behandlungsplan, andererseits wird bei nicht artgemäßen Entzündungen oft ganz auf eine Behandlung verzichtet.

Lymphödem

Das Lymphödem ist keine eigene Krankheit, sondern ein Symptom, das auf krankhafte Veränderungen im Lymphsystem der betroffenen Körperregion hinweist. Der Therapeut, der ein solches Ödem diagnostiziert, muss unverzüglich mit einer Behandlung beginnen. Andernfalls kann es zu extremer Schwellung mit schwersten Hautveränderungen kommen.

Als Ödem werden sichtbare Schwellungen an Rumpf oder Extremitäten bezeichnet, die auf eine Wasseransammlung im Gewebe zurückzuführen sind.

Entstehung eines Lymphödems

Einem Lymphödem liegt in den meisten Fällen eine mechanische Schwäche des Lymphgefäßsystems zugrunde. Das heißt, aufgrund eines krankhaften Prozesses ist das Lymphgefäßsystem nicht mehr in der Lage, die anfallende lymphpflichtige Wasser- und Eiweißlast abzutransportieren. Handelt es sich dabei um angeborene Fehlbildungen, spricht man von einem primären Lymphödem. Behindern bekannte krankhafte Veränderungen, z.B. bösartige Tumoren, Narben oder eine Verletzung den Lymphabfluss, dann entsteht ein sogenanntes sekundäres Lymphödem.

Primäres Lymphödem

Am häufigsten handelt es sich um eine Unterentwicklung, bei denen die Zahl der Lymphsammelgefäße kleiner und ihr Durchmesser geringer ist als normal. Solche Fehlbildungen sind oft familiär bedingt.

Sekundäres Lymphödem

In vielen Fällen handelt es sich um ein durch den Arzt hervorgerufenes Ödem, als Folge einer notwendigen Therapiemaßnahme. Ein Beispiel hierfür sind Krebsoperationen, bei denen auch die regionalen Lymphknoten aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen entfernt werden müssen. Der Arzt muss bei diesen Patienten das Auftreten eines Lymphödems in Kauf nehmen, da er den Lymphknotenbefund nach einer Gewebsprobenabnahme braucht, um das Fortschreiten des Tumors zu bestimmen und die Behandlungsstrategie ( z.B. Nachbestrahlung ) festzulegen.

Zu den häufigsten Lymphödemen, die auf diese Weise entstehen, gehören die Armlymphödeme, die nach einer operativen oder strahlentherapeutischen Brustkrebsbehandlung auftreten. Plötzlich auftretende, einseitige Lymphödeme, die rasch fortschreiten, haben häufig eine bösartige Ursache. Das heißt: Sie sind das erste Anzeichen einer bis dahin nicht diagnostizierten Krebserkrankung. Noch häufiger allerdings stellen sie den ersten Hinweis auf ein Wiederauftreten eines vor längerer Zeit behandelten bösartigen Tumors dar. So muss bei jedem zweiten wiederaufgetretenen Tumor in der Frauenheilkunde mit einem Lymphödem gerechnet werden. Von einem posttraumatischen Lymphödem spricht man bei allen Ödemen, die nach Verletzungen, Verbrennungen oder sonstiger Gewebezerstörung auftreten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem akuten posttraumatischen Lymphödem, das eine Form des akut-entzündlichen Ödems darstellt und unmittelbar einer Verletzung, Wunde oder einer sonstigen Gewalteinwirkung folgt, und dem chronischen posttraumatischen Lymphödem, das ca. drei Monate nach der eigentlichen Verletzung, Wunde oder Gewalteinwirkung auftritt.

Als Ursache einer infektiösen Lymphangitis ( Lymphgefäßentzündung ) kommen Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten in Frage. Entzündliche Lymphödeme treten im Rahmen eines entzündlichen Prozesses der Haut oder der Gelenke als Begleitsymptom auf.

3 Stadien des Lymphödems

Stadium 1

Typisch für ein Lymphödem im Stadium 1 ist die Einlagerung einer eiweißreichen Flüssigkeit, die zu einer teigigen Weichteilschwellung führt. Sie ist leicht einzudrücken, wobei der Druck eine tiefe Delle hinterlässt. In diesem Stadium sind keinerlei Veränderungen an der Haut zu sehen. Das Stemmersche Zeichen, eine verbreiterte, kaum Abhebbahre Hautfalte über der zweiten Zehe, ist meist nicht nachweisbar. Nach Hochlagern der Beine geht das Ödem zurück.

Stadium 2

Die Schwellung ist jetzt derb und hart. Es entstehen bei Druck kaum noch Dellen. Erste Veränderungen an der Haut und dem umgebenden Gewebe sind sichtbar ( große Hautfalten, gestörtes Wachstum der Finger- oder Fußnägel ). In diesem Stadium geht das Ödem nicht mehr spontan zurück, sondern muss mit Hilfe der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie behandelt werden. Während das Fortschreiten des Lymphödems von Stadium 1 zu Stadium 2 unaufhaltsam vor sich geht, kann der Übergang in das dritte Stadium, einer unförmigen Anschwellung von Körperteilen ( genannt Elephantiasis ), durch therapeutische Maßnahmen ( Entstauungstherapie ) verhindert werden. Außerdem müssen die Patienten selbst kleinste Hautverletzungen meiden, die als Eintrittspforte für Bakterien dienen können, da eine Wundrose (eine Entzündung der Haut und des Unterhautzellgewebes) zu einer deutlichen Verschlechterung des Lymphödems führt.

Stadium 3 Dieses Erscheinungsbild wird auch als lymphostatische Elephantiasis beschrieben: Die Extremität ist gigantisch angeschwollen, die Haut stark verfärbt und verdickt. Da die Immunabwehr der Haut erheblich beeinträchtigt ist, treten häufig Nagelpilzerkrankungen auf. Die Elephantiasis muss als schwere körperliche Behinderung angesehen werden, in manchen Ländern gilt sie sogar als Indikation zur Entfernung der Gliedmaße. Bleibt sie über längere Zeit bestehen, muss mit der Entwicklung eines äußerst bösartigen, von den Blutgefäßen sich ableitenden, meist zum Tode führenden Tumors (Angiosarkoms), gerechnet werden.

Untersuchungsmethoden

Basisdiagnostik

Anamnese, körperliche Untersuchung, sowie Anschauen und Abtasten der Schwellung

Selbst bei der Differenzierung zwischen bösartigem oder gutartigem Lymphödem kann die Basisdiagnostik wichtige Hinweise geben (siehe Tabelle).

Differentialdiagnose gut-/ bösartige Lymphödeme

                                  Gutartige Lymphödeme              Bösartige Lymphödeme

Beginn                         schleichend                                    oft akut

Schmerzen                   meist keine                                    oft unerträglich

Progression                  langsam, intermittierend                  rapide

Appetitlosigkeit             nein                                               ja

Abmagerung                 nein                                               ja

Fieber                          nein                                               ja

Paralyse, Parese           nie                                                 oft

Ulkus                          manchmal radiogen                          oft karzinogen oder radiogen

Für die endgültige Diagnose müssen allerdings meistens noch weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden: Zum Beispiel die indirekte Lymphographie, die Aufschluss über die Beschaffenheit der Lymphgefäße gibt oder die Lymphszintigraphie, die sich zur Beurteilung der Funktion der Lymphgefäße eignet.

Wenn mit Hilfe der diagnostischen Maßnahmen Ursache und Stadium des Lymphödems festgestellt worden sind, sollte - auch bei gutartigem Lymphödem - noch eine vollständige Untersuchung des Patienten folgen, um mögliche weitere Erkrankungen zu diagnostizieren. Nur wenn alle Begleitkrankheiten geheilt, bzw. unter Kontrolle gebracht sind, hat die Therapie eines Lymphödems Aussicht auf Erfolg.

Infektionen des Lymphsystems

Lymphgefäßentzündung (Lymphangitis)

Das charakteristische Symptom ist der schmerzhafte, rote Strich unter der Haut. Fast zeitgleich mit dem Auftreten des roten Strichs entwickeln die Patienten Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Steigerung der Herzfrequenz und Schüttelfrost. Wie bei jeder bakteriellen Infektion zeigt die Blutuntersuchung eine ausgeprägte Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozytose )

Für den Volksmund charakterisiert der rote Strich eine "Blutvergiftung". Oft kommt es bei einer Lymphgefäßentzündung bedrohlich schnell zu einer Streuung der Bakterien über die Lymphbahnen ins Blut, und es entwickelt sich eine Sepsis. Um diese schwere Komplikation zu vermeiden, muss bei den ersten Anzeichen einer Rötung neben Ruhigstellung und Kühlung der betroffenen Extremität sofort eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet werden.

Erysipel (Wundrose)

Schwere Infektionskrankheit, die mit starken Schmerzen, hohem Fieber (40 - 41 Grad Celsius), Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Übelkeit einhergeht. Die Ursache eines Erysipels ist eine durch Bakterien ausgelöste Entzündung der Haut und des Unterhautzellgewebes, die sich über die Lymphbahnen ausbreitet. Typische Eintrittspforten für die Bakterien sind neben Bagatelleverletzungen auch aufgekratzte Mückenstiche, schmerzhafte kleine Risse, Fußpilzerkrankungen, lokale Verbrennungen oder Beingeschwüre.

Zwischen Erysipel und Lymphödem besteht eine enge Beziehung. Das Erysipel ist die Folge oder die Komplikation eines Lymphödems. Andererseits kann das Ödem aber auch die Folge eines Erysipels sein.

Symptomatik eines Erysipels

Innerhalb weniger Stunden entsteht um die Eintrittspforte herum eine Rötung der Haut, die mit einer ödematösen Schwellung, Überwärmung und starken Schmerzen einhergeht und sich rasch ausweitet. Es können sogar Blasen in dem erkrankten Hautgebiet auftreten. Da gleichzeitig auch ein starkes Krankheitsgefühl besteht, suchen die Patienten relativ schnell den Arzt auf, so dass sofort mit einer hochdosierten Antibiotikabehandlung begonnen werden kann.

Komplikationen

Besonders schwere Komplikationen des Erysipels sind Herzerkrankungen, die durch die Streptokokken-Infektion hervorgerufen werden können.

Filariasis

In den tropischen Ländern stellt die Filariasis, eine Fadenwurminfektion, eine der häufigsten Ursachen für das Lymphödem dar. Die Filarien, die von Mücken übertragen werden, leben im menschlichen Lymphsystem und führen dort zu Entzündungen der Lymphgefäße und -knoten aber auch zu Hoden- und Nebenhodenentzündungen. Kommt es zu wiederholten Infektionen, muss mit schweren chronischen Lymphödemen bis hin zur Elephantiasis gerechnet werden.

Therapie des Lymphödems 1) Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)

Ihre Therapieziele:

Steigerung des Lymphtransports, beschleunigter Abbau der eingelagerten Eiweißkörper im Ödembereich und Normalisierung der kapillaren Lymphdynamik, erreicht sie durch eine Kombination von vier verschiedenen Behandlungsstrategien:

A) manuelle Lymphdrainage

B) Kompressionsbehandlung

C) entstauende Bewegungstherapie

D) Hautpflege Die KPE wird in zwei Phasen durchgeführt.

In der Phase 1 stehen Entstauung und Verhütung einer erneuten Flüssigkeitsansammlung im Zentrum der Therapie. In der Phase 2 geht es zusätzlich um die Rückbildung der Bindegewebswucherung.

Die erste Phase der KPE

In dieser Phase werden die Patienten am besten täglich mit manueller Lymphdrainage und individueller Kompressionstherapie entstauend behandelt. Dabei führt die manuelle Lymphdrainage über eine sanfte Oberflächenmassage, die mit unterschiedlicher Druckstärke ausgeführt wird, zu einer effektiveren Füllung der Lymphgefäße; auch die Kompressionsbandage verbessert die Füllung, da sie den im Zwischengewebe liegenden Druck erhöht. Die Therapie muss immer zuerst an den benachbarten stauungsfreien Körperpartien begonnen werden. Zunächst muss das gesunde Lymphgefäßsystem durch die manuelle Lymphdrainage zur Mehrarbeit angeregt werden, so dass es einen Sog auf die gestauten Lymphgefäße ausübt. Nun erst kann die Ödemflüssigkeit der betroffenen Region aus dem Umkreis zum Zentrum hin verschoben werden und dort abfließen. Die Flüssigkeitsverschiebung wird durch verschiedene Handgriffe erreicht, die jeweils eine Schub- und eine Entspannungsphase haben.

Um ein Nachlaufen der Ödemflüssigkeit zu verhindern, wird die betroffene Extremität direkt im Anschluss an die Lymphdrainage mit Bandagen oder Maßstrümpfen komprimiert. In Phase 1 der Behandlung werden die betroffenen Gliedmaßen täglich neu gewickelt, damit sich die Kompressionsbandage der individuellen Ödemgröße anpassen kann. Ist die Schwellung größtenteils zurückgegangen, kann ein Maßstrumpf angefertigt werden, den der Patient dann ständig trägt.

Beim Anlegen der Bandage muss streng darauf geachtet werden, dass keine Druckstellen entstehen, da es sonst zu Hautschädigungen kommen kann. Eine sorgfältige Hautpflege ist in jedem Fall notwendig, um die Belastung, der die Haut durch Massage und ständiges Bandagieren ausgesetzt ist, auszugleichen.

Oftmals ist die Haut über dem Ödem sehr trocken, so dass sich pflegende Öle oder Cremes anbieten. Kleinste Verletzungen oder Schrunden müssen unbedingt vermieden werden, denn die Gefahr einer bakteriellen Hautinfektion ist bei Ödempatienten bekanntlich sehr groß. Erst wenn die betroffene Extremität bandagiert ist, kann mit einer vorsichtigen entstauenden Bewegungstherapie begonnen werden. Die Phase 1 der KPE wird meistens stationär durchgeführt, da die Patienten absolute Ruhe brauchen und die Behandlung bei einem speziell dafür ausgebildeten Therapeuten täglich mehrere Stunden in Anspruch nimmt. In der Phase 2 können die Patienten dann in eine ambulante Betreuung überwechseln.

Die zweite Phase der KPE

Nach ungefähr vier Wochen hat sich das Ödem um etwa 70% zurückgebildet. Das bedeutet, dass nun mit der Phase 2 der KPE begonnen werden kann. Für den Patienten ist es wichtig zu wissen, dass diese Phase Jahre dauern kann, und dass er sich in dieser Zeit unbedingt an die Verordnungen des Therapeuten halten muss.

Die wichtigste therapeutische Maßnahme in dieser zweiten Phase ist die Anfertigung eines Kompressionsstrumpfes. Damit die gewünschte Stabilisierung und Verbesserung des bereits erzielten Therapieerfolges erreicht werden kann, muss er ständig getragen werden, auch wenn sich manche Patienten zunächst dagegen sträuben. Außerdem gehören regelmäßige Bewegungstherapie und Lymphdrainage-Behandlungen ( zwei bis drei Mal wöchentlich ) zum Behandlungskonzept der zweiten Phase.

Wachsenden Stellenwert hat in den letzten Jahren die Therapie mit einem pneumatisch arbeitenden Entstauungsgerät, die sogenannte apparative intermittierende Kompression, erhalten. Mit heute vorrangig mehrkammerigen Manschetten wird die zu behandelnde Extremität abwechselnd komprimiert und druckentlastet. Auf diese Weise wird der venöse und lymphatische Abfluss verbessert und am Bein die Gelenkmuskelpumpe passiv stimuliert.

2) Medikamentöse Therapie

Zur Unterstützung der physikalischen Entstauungstherapie ist eine Reihe von Medikamenten im Gespräch. Bewährt hat sich in der Schulmedizin die Gabe von Selen. Patientinnen mit Armlymphödem nach Mamakarzinom-Operation zeigen häufig einen Selen-Mangel als Folge der Erkrankung und der Behandlung.

In der Naturheilkunde hat die Anwendung von homöopathischen Komplexmitteln als Begleittherapie zur KPE einen festen Platz. Besonders gute Erfolge werden mit der Drainagesalbe erzielt, die nach der manuellen Lymphdrainage auf das Ödemgebiet aufgetragen wird. Außerdem wirkt sie sich regulierend auf den Lymphfluss aus, wodurch eine verbesserte Reinigung und Entschlackung des erkrankten Gewebes erreicht wird. Sie sorgt aufgrund ihrer heilenden und entzündungshemmenden Eigenschaften dafür, dass sie auch von der empfindlichen Haut dieser Patienten vertragen wird.

Wie vollständig sich ein Ödem unter dieser Therapiestrategie zurückbildet, hängt ganz entscheidend von der Mitarbeit des Patienten ab. Dies sollte der Therapeut seinen Patienten von Anfang an klarmachen und sie auch darüber informieren , dass es sich bei der Behandlung eines chronischen Ödems oft um eine lebenslange Therapie handelt.

Wie können die Patienten selbst zur Vorbeugung beitragen?

Die Mitarbeit der Patienten ist genauso wichtig wie die eigentliche Therapie. Da es sich um eine Langzeittherapie handelt, ist sie jedoch oft unbefriedigend. Eine Mitwirkung des Patienten beinhaltet folgende Punkte:

A) Zufuhr der physiologisch notwendigen Flüssigkeit, leichte körperliche Bewegung, regelmäßige Einnahme der entsprechenden Heilmittel, leichte Massage mit verfügbaren äußerlich anzuwendenden Arzneimitteln.

B) Ödemgefährdete Patienten und Patienten mit erkennbarem Ödem sollten auf eine gesunde Ernährung achten und Übergewicht vermeiden. Sinnvoll ist eine allgemein gesunde Lebensführung mit ausreichend Bewegung und auch Zeit zu Muße und Entspannung. Außerdem sollte sich der Patient umfassend über seine Krankheit informieren und auslösende Faktoren ( Verletzungen mit Infektion usw. ) unbedingt vermeiden.

C) Patienten mit bereits belasteten Gefäßen ( Krampfadern ), sowie diejenigen, die z.B. während der Schwangerschaft zu starker Ödembildung neigen, sollten konsequent ihre Kompressionsstrümpfe tragen, um eine Verschlechterung der Gefäßsituation zu vermeiden. Kompressionsstrümpfe sowie Kompressionsbandagen entfalten ihre volle Wirksamkeit jedoch nur im Zusammenhang mit der Muskelpumpe. Das bedeutet, dass sie vorrangig tagsüber getragen werden müssen.

Was bedeutet eine allgemeine Stärkung des Immunsystems?

Ein gestärktes Immunsystem wirkt sich indirekt positiv auf das Lymphgefäßsystem aus, indem es einen besseren Schutz vor Infekten bietet und den gesamten Heilungsprozess bei verschiedensten Erkrankungen unterstützt.

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